Tagebuch

28 März 2007

Saigon - Ho Chi Minh City (HCMC)


Die Ankunft

Saigon erreichten wir bei Nacht. Per Taxi steuerten wir auf das Backpackerviertel - wie im Lonely Planet beschrieben - zu. Der Taxifahrer spielte die ueblichen Spielchen, was fuer uns aber bereits wie selbstverstaendlich dazu gehoerte. "10 Dollar!" .. "Ja neh, is klar. Taximeter!" - ein Wort, das auf vietnamesische Taxifahrer wie sauer gewordene Milch zu wirken scheint. Etwas widerwillig liess er uns einsteigen, noch bevor einer seiner Konkurrenten sein Glueck an uns versuchen konnte.

Als wir schliesslich ankamen forderte unser Fahrer, der Blick sturr geradeaus "9 Dollar!". Als haetter er unsere gerade getroffene Vereinbarung vergessen. Wir mussten uns schon anschmunzeln, als wir uns an die zahlreichen Gelegenheiten erinnert fuehlten, in denen wir die asiatische Schlitzohrigkeit als eine Art Spieltrieb zu verstehen lernten. Und dabei zugegebener Massen auch viel Lehrgeld liessen. Schmunzelnd antwortete Reike: "No way, remember?! Taximeter!". Der Taxifahrer antwortete mit einsichtigen Falten auf der Stirn: "Ok, Ok. 4 Dollar."

Bei einem Taximeterstand von 25000 VND (Vietnam Dong), was in etwa $1,50 entspricht, konnte sich nun auch Anne nicht mehr halten. Halb scherzend, halb genervt. Er verwies uns protestierend auf einen A4-Aufkleber, der das Handschuhfach beklebte. Er erklaerte, dass der Nachtzuschlag den Fahrtpreis verdopple, wir koennten uns ja selbst davon ueberzeugen. Reike las laut vor: "Please pay only exactly the price displayed on the taximeter!" Wir konnten kaum noch vor lachen, waehrend der Taxifahrer, der unsere 25000 VND wortlos annahm, dicht vor seiner Schamgrenze zu stehen schien. Nicht ganz ohne stolz waren wir, wie gelassen wir mittlerweile der allgegenwaertigen Touriabzocke standhielten.


Zimmersuche

Nachts ein Zimmer zu finden gestaltete sich erwartungsgemaess schwierig. Ein mit dem Aufbau eines Fruehstueckscafes beschaeftigter Einheimischer bot uns an, die zwei Stunden bis Sonnenaufgang bei ihm zu verbringen. Gegen sieben fuellten sich die Strassen mit Leben. Wir machten uns auf die Socken, waehrend die mit Haendlerwaren vollbepackten Rikschas den Morgen in Saigon einleuteten. Recht bald fanden wir ein schoenes Zimmer fuer 100000 VND (etwa 5 Euro) mit mahagonhigedrechselter Balkonfluegeltuer, geschmackvoll eingerichtet, Klimaanlage und TV, riesen Doppelbett und Blick ueber die Gassen Saigons. Das kam uns wie gelegen, denn der Sonnenbrand aus Nha Trang forderte noch mindestens einen Tag Zimmerruhe. Wir schnickten aus, wer raus in die bruetende Mittagshitze und hin zum naechsten Eckladen musste, suesse Getraenke und Knabberzeug besorgen. So liessen sich die naechsten Tage entspannt planen.


Die Stadt

Moeglichst viel von Saigon wollten wir in unserer kurzen Zeit hier sehen. Darunter den grossen Zoo und natuerlich freuten wir uns auch auf Quynh und Nik, die in drei Tagen in Saigon eintreffen und uns die Stadt zeigen wuerden. Gleich am naechsten Tag stroeperten wir durch die engen Gassen, welche wie ein Adernetz die quirlige Stadt durchziehen und in denen sich das Gros des hiesigen Lebens abspielt. Ganze Grossfamilien leben in winzigen Raeumen zusammen, verkaufen kleinste Mengen an Lebensmitteln und allerhand selbstgemachten Schnickschnack direkt aus Tueren und Fenstern, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Auffaellig war auch hier, dass selbst die scheinbar aermsten einen grossen Fernseher besassen.

Bald stiessen wir auf einen Markt, der von lebendigem exotischem (naja, dort einheimischem) Fisch, ueber chinesische Seide und Bambusmoebeln bis Schmuck und Obst so ziehmlich alles zu bieten hatte. Diese Maerkte sind der Hammer! Aufgedrehtes Leben. Und wir lassen keine Chance aus, um uns mit unbekannten Fruechten und Backwaren zu versorgen. Da die Preise verhaeltnismaessig so niedrig sind, erreichten wir Stunden spaeter mit vier verschiedenen neuen Obstsorten und Tueten voller frischem Gebaeck fuer rund einsfuftsch Euro.


Quynhs Familie

Nach einem kurzen Telefonat aus einem der zahlreichen Internetcafes im Backpackerviertel war Ort und Zeit fuer unser Treffen ausgemacht. Quynh und zwei Cousinen plus Freund holten uns auf insgesamt drei Mopeds vom naheliegenden Busbahnhof ab, mitsamt unseren Rucksaecken, denn Quynh und ihre Familie hatten uns herzlicher Weise fuer eine Nacht in ihr Haus eingeladen. Der Verkehr auf Saigons Strassen wird in fuer europaeische Augen unfassbare Weise von Mopeds dominiert. Ampeln gibt es auch, sind aber eher eine Art Entscheidungshilfe. Haeufig stehen bis zu 15 Mopeds in eine Fahrtrichtung nebeneinander, darauf wartend, dass sich die Kreuzung raeumt und den Weg freigibt. Aus allen Richtungen stroemen die Mopeds wie Lavastroeme in einander. Es ist eher die Regel als die Ausnahme, dass gleichzeitig Mopedhorden aus vier oder fuenf Richtungen der groessen Kreuzungen gleichzeitig losfahren. Allerdings ist das Fahrverhalten sehr defensiv und ruecksichtsvoll und die Fahrtgeschwindigkeiten niedrig. Und so schlaengeln sich Mopeds, Rikschas, Laster, Busse und Pkw unbeschadet aneinander vorbei.

In dieses Gewusel hinein stuerzten wir uns nun und die Lichter der Nacht liessen Saigon wie eine Leinwand an uns vorbei ziehen. Wie hypnotisiert und den Rausch geniessend erreichten wir eine Stunde spaeter das Haus von Onkel und Tante und wurden sofort herzlich in Empfang genommen. Wie wir auf dem Weg dorthin erfuhren hatte Nik Geburtstag und so feierten wir den Abend mit einem herrlichen traditionellen Mahl und den Schokotoertchen, die wir noch flux auf dem Weg mit den Mopeds besorgt hatten. Spaeter zeigte man uns unser eigenes Zimmer, gemuetlich mit Bad und Klimaanlage und zusammen mit allen Familienmitgliedern tranken wir Tee auf der Dachterasse, von wo aus wir die dicken Jumbos des benachbarten Flughafens starten und landen sehen konnten, bevor wir den Abend schliesslich bei einem gemuetlichen Spaziergang durch einen der zahlreichen Parks Saigons und einem Bier und Birdsnest im nahegelegenen Pub ausklingen liessen. Birdsnest ist ein hier sehr beliebtes Kaltgetraenk, dass im wesentlichen aus den Nestern einer bestimmten Schwalbenart gefertig wird, welche die Schwalben widerum aus mit Speichel angereichertem Lehm bauen.


Cu Chi Tunnel

Unser Ziel fuer den folgenden Tag waren die Cu Chi Tunnel, ca. 30 Km nordwestlich von Saigon. Der Tag begann mit einem dieser denkwuerdigen Fruehstuecke. Braune Wollfaedenkneuel auf Reis begleitet von dem wuerzigen Geruch suesser Wurst und ohne jedes uns bekannte Erscheinungsmerkmal. Mhh, was also ist das nun wieder. Quynh erklaerte, dass die Vietnamesen Rindfleisch trocknen, fermentieren und zerfasern, so dass es am Ende diese sehr bizarre Form annimmt. Aha, lecker Fruehstueck dachten wir uns und tatsaechlich schmeckte es auch gar nicht mal schlecht.

Die Cu Chi Tunnel sind eine Anlage aus dem zurueckliegenden Vietnamkrieg in denen die Freiheitskaempfer der Cu Chi ein imposantes Netz aus schmalen unterirdischen Kriechgaengen geschaffen haben, um wie Hasen urploetzlich vor den westlichen Angreifern fliehen und aus deren Hinterhalt wieder angreifen zu koennen. Noch heute existieren Teile dieser Tunnelanlagen in drei Ebenen mit ihren unterirdischen Lazaretten, Mannschaftsquartieren und Offiziersbueros und sind von Touris begehbar. Ein kurzer Dokumentarfilm, welcher von seiner Machart an die Propagandafilme der DDR erinnerte, bereite auf die winzigen Gaenge vor, die so eng in Lehm und Stein geschlagen waren, dass die "boesen Amis" dort haufig stecken blieben. Ueber und ueber waren diese labyrinte mit Trittfallen und aehnlich bestialischem ausgestattet, so dass jeder falsche Schritt verhaengnisvoll war. Der Besuch der Cu Chi Tunnel hat uns sehr beeindruckt, wenn auch in einem nachdenklichen, abgestossenem Sinne. Die physische Erfahrung des durch die engen, dunklen, nasskalten Tunnelkriechens mit all den Insekten und Fledermaeusen dort unten, loeste in Anne erste klaustrophobische Symptome aus. Ein extremes Erlebnis.

Noch immer voellig eingenommen von den Eindruecken des Tunnelsystems hatten wir wieder an der Oberflaeche ein zoologisches Erlebnis besonderer Art. Eine gruenblaue Babschlange mit Gelb erweckte unsere Aufmerksamkeit, als sie ihren gut zehn Zentimeter langen Koerper zwischen den Fuessen eines zweiten Touristenpaerchens schlaengelte. Sofort sprangen die Einheimischen mit einem schreckverzogenen Gesicht beiseite, die Augen starr auf dieses niedliche Ding gerichtet. Der Touri ueber der Schlange ueberlegte wohl noch, ob er seine Kamera rausholen sollte und wir alle dachten die einheimischen Guides spielten uns mal wieder einen Streich mit ihrem Getue. Naja, die niedliche kleine Schlange stellte sich als die giftigste Schlange des vietnamesichen Urwalds heraus, deren schmerzhafter Biss innerhalb von wenigen Minuten zum Tod fuehrt. *schluck* Sekunden spaeter verschwand die Schlange auf akrobatische Weise in einem zwei Zentimeter Durchmesser messenden Loch in einer niedrigen Mauer neben uns. Der Weg zurueck zum Buss durch den dichten Wald wurde von einer huebschen kleinen Paranoia unsererseits aufgewertet.

Saigon ist eine grossartige Stadt und wir fragten uns, was wohl der naechste Tag fuer uns bereit halten wuerde, an dem wir naemlich gen Westen Richtung Kambodscha aufbrechen wollten. Heute nacht jedenfalls konnten wir erstmal gut und tief und fest (ein)schlafen.

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